Über Mac OS X

17. Februar 2012

Besonders beim Update von Mac OS X Snow Leopard (10.6) auf Lion (10.7) ist mir aufgefallen, dass das Apple-Betriebssystem nicht mehr so leicht zu bedienen ist, wie es ursprünglich gedacht war. Vor allem Einsteiger tun sich schwer, wie ich immer wieder bei Freunden merke, die mich beim Umstieg von Windows um Rat bei der Einrichtung fragen. Es ist das alte Dilemma: immer mehr Poweruser-Features werden integriert, welche die Einfachheit des System stören und es überladen wirken lassen. Hinzu kommen weitere Aspekte, die sich im Zusammenspiel mit anderen Geräten wie dem iPad und iPhone ergeben. Apple hat bereits angekündigt, dass das Desktopbetriebsystem (nächste Version: Mountain Lion) auch jährlich ein großes Update erfahren soll, um mit iOS Schritt halten zu können.

UI-Ebenen

Mission Control ist die Zusammenführung von Spaces und Expose. Für versierte Anwender sind diese Funktionen sicher nützlich, vor allem beim produktiven Arbeiten. Einsteiger rufen diese nur versehentlich auf (aktive Ecken) und sind irritiert. Hinzukommt noch der Space „Dashboard“, welcher früher einfach über den Bildschirm gelegt wurde. Nun liegt dieser mit dunkelgrauem Hintergrundbild links neben einem der bis zur Unednlichkeit erweiterbaren möglichen „Schreibtische“. Wenn man jetzt mit einem Programm in den Fullscreen-Modus wechselt, kommt ein weiterer Bereich hinzu. Man merkt, die Schreibtisch-Metapher funktioniert nicht mehr, „Spaces“ war noch logischer, obwohl ich diese auch nicht verwendet habe. Und wer noch TimeMachine und Versionen verwendet, der hat wirklich alle Dimensionen des Raums ausgereizt.
Bei Klick auf das Launchpad-Icon im Dock oder die Hardkey bei neuen MacBooks wird der dem iPad entlehnte App-Starter aufgerufen. Eine Alternative zum Dock am Bildschirmrand oder zur einfachen Programme-Liste im Finder. Hier wird zum Erreichen eines Ziels (Programm öffnen) eine weitere Alternative geboten. Zum Wechseln zwischen Programmen gibt es noch den guten alten Shortcut Apfel+Tab.

Feature-Overkill 1

Da iLife-Programme nahtlos in OS X integriert sind und mit dem System häufig gleichzeitig aktualisiert werden, benenne ich als nächsten Problemkandidat das Fotoprogramm iPhoto. An drei Beispielen wird hier klar, wie durch Hinzufügen von weiteren Funktionen die gesamte User Experience leidet. Durch die Gesichtserkennung lassen sich Listen von Fotos bestimmter Personen erstellen. Wozu? Zumal ist ein gewisser Aufwand nötig, bis iPhoto das zuverlässig tut. Unter „Orte“ werden die Fotos der Weltkarte zugeordnet. Eine nette Spielerei. Aber diese Features sind in der Mediathek an Platz drei und vier angeordnet. Sie geben dem User den Eindruck von Wichtigkeit. Durch diese und viele weitere Störfeuer im UI werden die einfachen Funktionen wie Bilder importieren, Bilder sortieren und das Bearbeiten (funktioniert perfekt) geschwächt. Aber dafür gibt es jetzt „Themen“ zum Abspielen von Diashows …

Feature-Overkill 2

Die Seitenleiste, die den Ping-Stream beherbergt, macht aus iTunes rasch ein völlig überladenes 4-spaltiges (gefühlt 7+) Programm. Die Anzeige der Mediathek ist durch diverse Ansichtsmodi und die Interpreten-Spalte bereichert worden. Auch darin stecken wieder tolle Ideen, die für einige User interessant sein dürften. Wem aber die Einfachheit beim Abspielen von Musik und Videos wichtig ist, der dürfte von diesem Monster enttäuscht werden. Mich würde brennend interessieren, wie viele „Mainstream-User“ eine Smart-Playlist angelegt haben.

iOS und OS X

Ein Problem, an dem Apple offenbar ganz eifrig arbeitet, ist die Synchronität vom Desktop- zum Tablet- und Smartphone-Betreibssystem. Gemeint ist nicht, dass die System gleich aussehen und bedient werden sollen. Das wäre auch Sicht des Interaktionsdesign auch völlig unsinnig, unterschiedliche Geräte (Eingabemethoden, Nutzungsszenarios, …) müssen unterschiedliche behandelt werden. Es geht um eine konsistente User Experience, d.h. um das Gefühl, dass man sich im gleichen System befindet und gelernte Muster wieder anwenden kann. Wer einen Link aus Mobile Safari twittern will braucht wenig Mühe, ein Tap genügt. Unter OS X sucht man diese Option bis zum Spätsommer 2012 vergeblich und muss sich ein Bookmarklet (Poweruser!) dafür anlegen.
Wer andererseits mit der Spotlightsuche auf dem iPad E-Mails nach Inhalten durchsucht, wird nichts finden. Die iOS-Suche beschränkt sich auf Absender, Empfänger und Betreff. So entsteht Irritation.

Im Moment findet eine spannende Entwicklung statt, bei der die Konzepte Desktop-PC und Mobilgerät verschwimmen und User je nach Situation zu anderer Hardware greifen. Cloudlösungen sollen die Daten synchron halten, neue Interaktionskonzepte und Geräte müssen jetzt für eine konsistente User-Experience sorgen.
Ich hoffe, dass Apple mit Mountain Lion nicht noch weitere iOS-Features hinzufügt, ohne alte Zöpfe abzuschneiden. Im Moment ist noch zu wenig bekannt, aber Details wie die gleiche Benennung von „Calendar“, „Contacts“ etc. lassen erkennen, dass hier die Herausforderung liegt. Und Microsoft probiert sich bekanntermaßen auch im Spannungsfeld zwischen Desktop, Tablet und Smartphone, Stichwort: Metro UI.