Archive for April, 2011

see #6

Sonntag, April 10th, 2011

Gestern habe ich zum ersten Mal die „see“ besucht, die Konferenz zur Visualisierung von Information, veranstaltet von der Wiesbadener Agentur Scholz & Volkmer. Schon die Tatsache, dass die Veranstaltung in einer großen Kirche (900 Teilnehmer) stattfand und mancher Vortrag wie eine Predigt wirkte, waren beeindruckend und inspirierend zugleich. Auch wenn die Kirchenbänke über den Tag immer härter wurden. Hier notiere ich kurz meine persönlichen Highlights:

Prof. Dr. Harald Welzer

Welzer war einer dieser Prediger. Ohne Slideshow fesselte er, indem er über die Natur und den Menschen in seinem Umgang mit ihr wetterte. Kein Ort wäre für den Kulturwissenschaftler/Buchautor („Klimakriege“) und die ganze Thematik (Special: Nachhaltigkeit) passender, als die Wiesbadener Lutherkirche. Interessante Zitate:

„Krisen sind Funktionsgrenzen des ganzen Systems.“

„Wir leben nicht mehr in einer Konsumgesellschaft, sondern in einer Kaufgesellschaft. 30–40% der Produkte werden unbenutzt weggeschmissen.“

Carlo Ratti

Der Leiter des SENSEable City Lab des MIT in Boston stellte unter anderem die Projekte „Trash-Track“ und das „Copenhagen Wheel“ vor. Bei ersterem geht es um den Versuch, die Wege unseres Abfalls aufzuspüren und zu visualisieren. 3000 Abfälle (Computer, Bananenschale, …) wurden mit Minisendern versehen und so der Weg quer durch die USA verfolgt. Ästhetische und erstaunliche Ergebnisse kommen so ans Licht.

Beim „Copenhagen Wheel“ handelt es sich um ein Gerät, welches im Hinterrad jedes beliebigen Fahrrads integriert wird. Es verwandelt das Rad in Kürze in ein e-Bike und kann verschiedenste Daten wie Position, Temperatur etc. anonym an die Stadtverwaltung senden. Vielfahrer können so „Green Miles“ sammeln wie man es von Bonusmeilen beim Fliegen kennt, nur mit einem positiven Effekt auf die Umwelt. Durch die Auswertung und Visualisierung der durch die Menge an Fahrradfahrern (50% fahren täglich Rad in Kopenhagen) erzeugten Daten, lassen sich Veränderungen bei der Stadtplanung o.ä. forcieren.

Brendan Dawes

Mit einem selbstironischen und unterhaltsamen Vortrag stellte der Brite Brendan Dawes, dessen Werke auch im New Yorker MoMa (Cinema-Redux) hängen, Projekte zwischen Design und Kunst vor.

„Samstags arbeitet meine Frau. Dann darf ich spielen und solche Dinge entstehen. Ich hab’ ja keine Freunde.“

Seine hölzerne Wettervorhersage-Box (FIDO Weather Indicator) hat mir besonders gefallen.

Joshua Prince-Ramus

Prince-Ramus ist einer der weltweit einflussreichsten Jung-Architekten (Büro REX aus New York) und zeigte, wie er ganz rational, analytisch und mit Hilfe der Informationsvisualisierung Gebäude wie die Seattle Library oder das Wyly Theatre entwirft. Er wettert gegen Star-Architektin Zaha Hadid, denn er gestalte im Gegensatz zu ihr nicht schön, sondern richtig. In seinem interdiziplinären Team entsteht Architektur, die das Warum selbstbewusst und mit Hilfe der (neuerdings auch bewegten) Datenvisualisierung beantwortet. Die visualisierte Herleitung überzeuge Kunden und Investoren, sie sei logisch und nachvollziehbar.

Fazit

Ich fand es gerade gut, dass das Thema Informationsvisualisierung und Nachhaltigkeit eher großzügig ausgelegt wurde. So war die Veranstaltung abwechslungsreich und fördert den Blick über den Tellerrand! Ich freue mich auf see #7!

Auch interessant: Diskussion auf Twitter; offizielle Fotos auf Flickr, Video-Stream der Veranstaltung

Website-Navigation ≠ Sitemap

Mittwoch, April 6th, 2011

Es gibt immernoch viele Websites, vor allem von Unternehmen im IT-Sektor, die auf der Startseite Links zu allen Inhalten der Site anbieten. Per Mouse-Over werden umfangreiche Menüs mit Untermenüs aufgeklappt, um Platz zu schaffen für Unmengen von Links. Dem User wird viel abverlangt: Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, marketinglastige Produktbezeichnungen entschlüsseln sowie ein höchstpräziser Umgang mit der Maus (Mouse-Over-Untermenüs = Heißer Draht). Ich bin mir sicher, dass sich der Großteil der User auf ibm.de vorwiegend über Produkte und Services des IT-Giganten informieren wollen. Diesen wird zugemutet, mühsam Listen abzuscannen. Besser wäre eine strukturierte, übersichtliche Seite „Produkte und Services“.

Auch wenn die Nutzergruppen von apple.de und ibm.de sicher nicht identisch sind, könnte der Unterschied im Umgang mit den Navigationselementen größer nicht sein. Während IBM 260 Links auf der Startseite anbietet, sind es bei Apple gerade einmal 29 Links. Apple nimmt in Kauf, dass für bestimmte, wenig besuchte Seiten mehr Klicks notwendig sind, um die Mehrheit der User nicht zu verwirren. Reduktion als Mittel für eine bessere User Experience.


Die Startseite von IBM mit über 200 Links

Typisch Apple: reduziert auf das Wesentliche